Buch des Monats

Gesund durch Genuss

Mediterrane Ernährung - das Buch zu unserem Verein

Gesund durch Genuss

Wenn das Essen schmeckt, zumal wenn einem der Geschmack vertraut ist, und die Zubereitung weder zeitlich noch finanziell kein großer Aufwand ist, dann sind die Menschen schnell bereit, „Ernährungsempfehlungen zu folgen“, sagt der Internist und Gastroenterologe, Stephan Bischoff, Direktor des Lehrstuhls für Ernährungsmedizin und Prävention an der Universität Hohenheim. Und wenn Professor Bischoff von Ernährungsweisen spricht, dann meint er nur eine: die mediterrane Ernährung. Zusammen mit den Ernährungswissenschaftlern Bettina Snowdon und Benjamin Seethaler hat er sich auf den Weg gemacht, den Menschen zu erklären, warum dieses Ernährungsmuster gut für uns ist und vor Krankheiten schützt. Von den vermeintlich heilsbringenden Nährstoffen und „Wundermitteln“ halten sie nichts und messen der Kombination von Lebensmitteln und Lebensstil für den Erhalt und  das Wiedererlangen von Gesundheit eine „wesentlich größere Bedeutung“ zu, wie sie in ihrem Buch „Mediterrane Ernährung“ beschreiben. Eine Umstellung könne vor Volkskrankheiten wie Herzinfarkt, Arteriosklerose, Krebs und Diabetes schützen.

Die mediterrane Ernährung hatte es nie leicht. 2010 wurde sie zwar in die Liste des immateriellen Kulturerbes des Unesco aufgenommen, doch eigentlich viel zu spät. Denn schon in den 1950er Jahren forschte der amerikanische Arzt und Wissenschaftler Ancel Keys am Thema. Ein italienischer Kollege hatte ihm erzählt, dass in Süditalien Herz-Kreislauf-Krankheiten nur äußerst selten vorkämen. Keys, der im Norden der USA als Kardiologe arbeitete, nahm ein Sabbatjahr und zog nach Europa, um regionale Unterschiede in der Häufigkeit von chronischen Krankheiten zu untersuchen. Schwerpunkt waren die Zusammenhänge mit der Ernährung. Die pure Annahme eines Zusammenhangs war damals noch umstritten. Seine ersten Theorien wurden damals noch als „wild spekulative Ernährungs-Herz-Theorien“ abgetan.

In seiner Studie untersuchte Keys mit seinem Forschungsteam die Ernährungsgewohnheiten und die Rate der Herzerkrankungen bei Erwachsenen in sieben Ländern. Mehr als 12 000  Männer untersuchten sie auf ihr Ernährungsverhalten und ihren Gesundheitszustand, ermittelten deren Körpergewicht, Rauchgewohnheiten, körperliche Aktivität, Ruhepuls, Blutdruck, Cholesterinspiegel und Lungenkapazität. Die Studienergebnisse bestätigten die Beobachtungen des italienischen Kollegen: In den USA waren Herzkrankheiten für fast die Hälfte und in Nordeuropa für 40 Prozent aller Todesfälle verantwortlich. In Südeuropa waren es nur 17 Prozent.

Verantwortlich war nach ihren Erkenntnissen das Ernährungsmuster, das aus überwiegend pflanzlichen, das arm an gesättigten Fetten aus tierischen Lebensmitteln und reich an gesunden Fetten und Vollkornprodukten bestand. Was heute nahezu alle Fachleute bestätigen, war seinerzeit ein Meilenstein in der Geschichte der Ernährungsmedizin. Und dennoch sollte die Popularität der mediterranen Ernährung in der Bevölkerung erst Jahrzehnte später zunehmen. Keys beschrieb die mediterrane Ernährung als reich an Obst, Gemüse und Olivenöl. Mitte der neunziger Jahre machte ein französischer Arzt auf die Ernährungsweise als Prävention gegen Übergewicht und Fettleibigkeit sowie ebenfalls die Herz-Kreislauf-Krankheiten aufmerksam  und bestätigten die gesundheitsfördernden Effekte der mediterranen Ernährung.

Diese Erkenntnisse regten schließlich zahlreiche klinische und epidemiologische Studien an. In einer spanischen Studie wurden über fünf Jahre die gesundheitlichen Effekte an 7500 Männer und Frauen untersucht, und zwar in drei Gruppen: mediterrane Ernährung mit Fokus auf extra nativem Olivenöl, mediterrane Ernährung mit Fokus auf Nüssen und eine Kontrolldiät mit einer fettarmen Ernährung. Ergebnis: In den beiden Gruppen mit mediterraner Ernährung gab es deutlich weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall, außerdem ein starker Rückgang des Brustkrebs-Risikos und des Risikos für Typ-2-Diabetes.

Relativ jung sind Untersuchungen der „grünen mediterranen Ernährung“, die pflanzliche Nahrungskomponenten setzt. Dabei werden etwa 800 Milligramm Polyphenole mehr aufgenommen als in der normalen mediterranen Ernährung. „Polyphenole kommen in pflanzlichen Lebensmitteln vor. Sie haben gesundheitsfördernde Eigenschaften, die man sich in der überarbeiteten Ernährungsform zunutze macht“, schreiben die Autoren. Sie rät zur verringerten Aufnahme von rotem und verarbeitetem Fleisch, was zu einer Verbesserung von Fettlebererkrankungen und einem noch größeren Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt. Kurz: Das Hinzufügen von gesunden Lebensmitteln und das Weglassen von ungesunden hat seitdem altbekannte Ernährungsmuster verändert.

Warum hatten es die Mittelmeer-Anrainer besser als etwa die Nordeuropäer? Deren Ernährung war von Lebensmitteln gekennzeichnet, die wir längst als gesund bezeichnen. Frisches Obst, Gemüse, Salate, Olivenöl, Nüsse, Samen, Kräuter und Fisch. Fleisch, Eier und Milchprodukte wurden zwar ebenfalls konsumiert, aber in kleineren Mengen. Ein Glas Rotwein gehörte im Übrigen traditionell zu den Hauptmahlzeiten. Saisonale und regionale Produkte standen immer im Vordergrund.  Die Autoren vermeiden zwar eine streng vorgegebene Lebensmittelauswahl, stellen aber dennoch eine Vielzahl von Gerichten vor und empfehlen einen hohen Verzehr von kaltgepresstem Olivenöl, Gemüse, Früchten und Beeren, Getreideprodukten, Nüssen und Hülsenfrüchten. Sowie einen moderatem, aber regelmäßigem Genuss von tierischen Produkten wie Fisch, Geflügel, Eiern und Milchprodukten und einem seltenen Verzehr von Rindfleisch, Wurst und Süßigkeiten.

Die Ernährung hat Einfluss „auf eine ganze Reihe von neurologischen Erkrankungen“, beschreiben die Autoren und meinen damit vor allem Demenz und das Schlaganfallrisiko bei Älteren. Es gebezahlreiche Belege dafür, dass die mediterrane Ernährung das Risiko für Gedächtnisschwund verringern und den Verlauf günstig beeinflussen kann.

Die mediterrane Ernährung ist nachhaltig, weil sie stark pflanzenbasiert ist. Das sei mittlerweile vielfach nachgewiesen. Denn die Erzeugung tierischer Lebensmittel, der „Westernstyle diet“, wie es Bischoff nennt,  ist mit einem wesentlich höheren Wasser- und Energieaufwand verbunden und benötigt mehr landwirtschaftliche Fläche als die Erzeugung pflanzlicher Lebensmittel. Daten aus Spanien hätten ergeben, dass ein Wechsel zur mediterranen Ernährung zu einer Verringerung der Treibhausgas-Emission um 72 Prozent, der Flächennutzung um 52 Prozent und der Wassernutzung um 33 Prozent führen kann. Die mediterrane Ernährung habe damit sowohl gesundheitliche als auch ökologische Vorteile. Rolf Kienle

„Mediterrane Ernährung“, Seethaler, Bischoff, Snowdon, Uni Hohenheim,  erschienen im Thieme-Verlag. ISBN 978-3-432-11685-3, 24,99 Euro.

 

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