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„Es lohnt sich, in Sachen Olivenöl auf Geschmacksreise zu gehen“

Olivenölexpertin und Buchautorin Michaela Bogner.

„Es lohnt sich, in Sachen Olivenöl auf Geschmacksreise zu gehen“

Olivenöl? Olivenöl! Den WOW-Effekt kennt Michaela Bogner. Der war bei ihr so nachhaltig, dass sich die Münchnerin 2011 an der IHK in Florenz zur zertifizierten Olivenölverkosterin ausbilden ließ  –eine Qualifikation, die in Deutschland nur wenige haben. Sie veranstaltet Olivenölseminare und Workshops sowohl für Endverbraucher als für Fachkräfte aus den Bereichen Gastronomie und Handel. Denn auch gute Köche können häufig Aufklärung/Weiterbildung in Sachen Olivenöl vertragen: Historisch betrachtet werden heute die besten Olivenöle hergestellt, die es jemals gab – in einer Qualität, die vor wenigen Jahren unbekannt war. Über diese Entwicklung und diese Öle hat Michaela Bogner ein Buch geschrieben: „SuperOlio – eine neue Spitzenkategorie italienischer Olivenöle.“

Die Olivenernte ist eingefahren. Wie sind die Erträge und – viel wichtiger – wie ist die Qualität des Jahrgangs 2020?

Schnelle Antwort: gut! Von Nord- bis Süditalien sind alle happy. Keine Olivenfliege, keine Krankheiten. Es gibt keine nennenswerten Schäden. Dennoch werden die Erntemengen wohl bis zu 20 Prozent geringer ausfallen als im Vorjahr.

Ihr Stichwort ist Qualität: Wie kommt man an ein solches Öl? Oder ist das das teure in den Feinkostabteilungen der Supermärkte?

Leider nein. Zumindest heute. Wie es in zehn Jahren ausschaut, kann ich nicht sagen. Aktuell ist es so, dass man nicht gerade über gutes Olivenöl stolpert. Es gibt aber Fachhändler in Deutschland, die sich auf den Vertrieb dieser hochwertigen Olivenöle spezialisieren. Bei ihnen sind Sie als Kunde gut aufgehoben. Dieses Olivenöl der neuen Szene hat nichts zu tun mit dem „bekannten“. Aktuelle Forschungen und vor allem die Weiterentwicklung der Ölmühlentechnologie gibt Olivenölproduzenten die Möglichkeit,  Öle in einer Superqualität herzustellen. Man weiß so viel mehr über den Verarbeitungsprozess! Es lohnt sich, in Sachen Olivenöl auf Geschmacksreise zu gehen. Das ist das enorm Spannende. Olivenöl entsteht völlig neu. Eines der ältesten Grundnahrungsmittel der Menschheit war in seiner ganzen Geschichte noch nie so vielfältig. Dabei beginnt die Qualitätsbewegung in Sachen Olivenöl gerade erst.
Bei Wein war das vor 40 Jahren nicht anders

Teuer ist nicht gleich hochwertig?

Es gibt bei Olivenölen eine einfache Faustregel: Billig kann nie gute Qualität sein. Es gibt kein hochwertiges, billiges Olivenöl. Es gibt aber auch im teuren Bereich (in Deutschland) einige Öle mit sensorischen Fehlnoten. Die haben dann auch nichts zu tun mit hochwertigem Olivenöl. Es ist fatal: Qualität kann ich als Olivenölnutzer/in weder am Preis und leider auch nicht am Etikett festmachen. Man muss es einfach selbst kennenlernen! Was in der Tat ein Problem ist: Die Superöle engagierter Spitzenproduzenten sind in der gleichen Warenkategorie wie die der industriellen Abfüller.

Wie kann man hochqualitatives Olivenöl erkennen (wenn der Preis nicht das ausschlaggebende Moment ist)? Irgendwo muss man doch auf den Geschmack kommen können …

Es geht nur über selbst verkosten, verkosten und nochmal verkosten. Auch das ist wie beim Wein: Man kann sich nur hochtrinken. Was das Kennenlernen des neuen guten Olivenöls angeht, sind Interessierte bei Fachhändlern am besten aufgehoben. Und es gibt Expertinnen und Experten, von denen man sich auf den Geschmack bringen lassen kann in Sachen Olivenöl. Aber das sind nicht zwingend Weinhändler …
Heute wird ein Spitzenöl nicht einfach aus Oliven hergestellt. Das neue Öl ist ein unverwechselbares Produkt, spiegelt Terroir, die jeweilige Olivensorte und auch die Handschrift der Produzenten wider. So entstehen Öle, die aromatischer als je zuvor sind.

Dieses mediterrane Naturgeschenk wird aus Früchten gewonnen und nicht aus Kernen oder Samen. Ist das Öl dann nicht eher ein Saft?

Das sehen viele Experten anders. Dann wäre ja das Fruchtwasser dabei. Bei der Verarbeitung wird das aber weggeschleudert. Dann bleibt das Öl. Und das wird filtriert, um es haltbar zu machen. Ungefilterte Öle altern viel schneller.

Olivenöl gilt als gesund. Trifft das auf alle Olivenöle zu oder nur die hochwertigen? Was haben die, was die anderen nicht haben?

Die Menschheit weiß seit Jahrtausenden um die Heilwirkung von Olivenöl: Öl zum Säubern und Heilen von Wunden, für wunde Babypopos, zur Linderung von Schmerzen, gegen Sonneneinstrahlungen, bei Magen-Darm-Beschwerden. Olivenöl war schon immer so etwas wie die Hausapotheke des Mittelmeerraums. Generell hat Olivenöl von allen Pflanzenölen im Durchschnitt den höchsten Anteil an einfach ungesättigten Fettsäuren, etwa 70 Prozent und darüber. Genau diese Fettsäuren, Ölsäure genannt,  haben einen positiven Effekt bei der Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen. Und dann sind da die bioaktiven Substanzen im Öl, die Polyphenole und das alpha-Tocopherol. Statt jetzt ins Detail zu gehen, ein einfacher Merksatz: Je mehr bioaktive Substanzen im Öl, desto ernährungsphysiologisch wertvoller ist es für den Menschen. Die Superöle der neuen Generation haben mehr davon und halten auch länger ihre Frische als das früher der Fall war. Polyphenole und das alpha-Tocopherol, also das Vitamin E,  haben antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften. Will ich ein Olivenöl, das gesundheitsförderliche Wirkungen hat, dann muss ich zu einem hochqualitativem greifen. Da ist, wie schon gesagt, die Menge an bioaktiven Substanzen einfach höher. Richtig gutes Olivenöl bringt Lebensfreude und tut ganz nebenbei dem Körper Gutes.

Wer bestimmt das öffentliche Bild von Olivenöl?

Da gibt es zwei Aspekte. Zum einen gibt es die Romantisierung von der althergebrachten Herstellung von Olivenöl. Viele haben das Bild im Kopf von einem Bauern, der mit Eseln oder seinem Ape Jutesäcke voll Oliven zur Ölmühle bringt, wo sie mit großen Granitmahlsteinen zu Brei zermalmt werden. So entsteht leider keine Spitzenqualität wie wir sie heute verstehen. Das zweite bestimmende Bild sind die Skandale, Fälschungen und der häufige Etikettenschwindel bei Olivenöl. Kein Wunder, dass viele Verbraucher verunsichert sind. Nur ein Bruchteil der Öle , die als „extra vergine“ bezeichnet werden, gehören auch tatsächlich zur höchsten Güteklasse „extra vergine“, die die EU zu vergeben hat. Die Bezeichnung hat komplett ihre Bedeutung verloren.

Das heißt. Je mehr man über Olivenöl erfährt, desto mehr Fragen tun sich auf?

Ja, Olivenöl ist nicht gleich Olivenöl. Man muss genauer hinschauen, um Qualität zu erkennen. Aber das ist ja nicht nur bei Olivenöl so…

Olivenöl schmeckt nicht immer gleich. Wie viele Sorten gibt es eigentlich allein in Italien? Und weltweit?

Italien ist führend bei der Biodiversität von Olivensorten, ein echter Weltmeister. Rund 540 Sorten gibt es hier. Weltweit sind es über 1.700 Sorten. Spanien ist unangefochten Lieferant Nummer eins auf dem Weltmarkt für Olivenöl. Das Land hat aber nur etwa die Hälfte der Sorten, die in Italien wachsen.

Terroir, Handschrift, viele Olivensorten: Das heißt, in Rezepten müsste bei „Olivenöl“ angegeben werden, welche?

Das muss nicht sein. Es würde schon genügen, wenn da stünde „mittelfruchtig“, „mild fruchtig“ oder „floral“.

Wie viele Sorten sind bei Ihnen in Ihrer Küche stets im Gebrauch?

Bei mir sind immer drei, vier Flaschen unterschiedlicher Öle im Einsatz, aber ich sitze ja an der Quelle. Und ich verkoste viel! Wer gerne kocht, sollte immer zwei Öle im Gebrauch haben: ein mildfruchtiges mit nur sehr dezenten Bitternoten für Salate, Fisch, feine Gemüsesorten wie Zucchini  und ein intensiv fruchtiges mit deutlichen Bitternoten für kräftigere Gerichte wie Schmor- oder Hülsenfrüchtegerichte.

Interview: Christiane Appel

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